Programm des 6. Regionaltreffens 2011

Prof. Dr. Matthias Asche: Des Ersten Tod, des Zweiten Not, des Dritten Brot – Migrationstypen und Wanderwege im frühneuzeitlichen Alten Reich (16. bis 18.Jh.) .

Nicht nur dem erfahrenen Genealogen und Familienforscher ist gut bekannt, daß die traditionelle Vorstellung von der Immobilität der vormodernen Gesellschaft nicht zutrifft. Vielmehr muß von hoher Mobilität innerhalb der Altständischen Gesellschaft ausgegangen werden – einer sozialen und einer räumlich-geographischen. Die Neigung, den Heimatort oder gar das Heimatland zu verlassen zu verlassen, war stärker verbreitet als bisher angenommen. Bei aller Lückenhaftigkeit der zur Verfügung stehenden Quellen des „Vorstatistischen Zeitalters“ zeigen vorsichtige Schätzungen, daß ein Drittel oder gar die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung im 18. Jahrhundert mindestens einmal im Leben den Wohnort gewechselt hat. Dennoch nahmen sich – verglichen mit den Massenwanderungen des 19. und 20. Jahrhunderts – freilich selbst die großen Migrationsbewegungen des Vorindustriellen Zeitalters quantitativ marginal aus. Aus der immensen Spannbreite frühneuzeitlicher Wanderungsformen von und nach Deutschland sollen exemplarische Ausschnitte präsentiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Modellen zur Typologisierung des historischen Wanderungsgeschehens. Dabei wird etwa gefragt nach den auslösenden Faktoren für Aus- und Einwanderung, nach der regionalen und sozialen Zusammensetzung der Migrantengruppen, nach den unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Nah- und Fernwanderungen, nach obrigkeitlichen Unterstützungen für Neusiedler (Privilegienpolitik) sowie nach dem mit dem Problem der Integration zusammenhängenden Grad der Fremdheitserfahrung von Einwanderergruppen. Zur Vereinfachung soll von drei Haupttypen frühneuzeitlicher Migration ausgegangen werden:

1. markt- und lebensweltbedingte Migration (u.a. Heiratswanderungen, Kriegsflüchtlinge, dauerhafte oder saisonale Arbeitsmigranten),

2. erzwungene und unfreiwillige Emigration (u.a. religiös bedingte Zwangswanderungen, etwa der Juden, Hugenotten, Salzburger und Herrnhuter),

3. geförderte und gelenkte Immigration (u.a. Binnenkolonisationsmaßnahmen in Preußen, Rußland und an der habsburgischen Militärgrenze in Ungarn und Siebenbürgen, Neubürger bei Stadterweiterungen und Stadtgründungen, Amerika-Auswanderung).

Dr. Uwe Baumbach: Die Mitmach-Projekte bei genealogy.net, insbesondere in ihrem Bezug zum heutigen und historischen Brandenburg

Unter der technischen und in den meisten Teilen auch inhaltlichen Betreuung durch den „Verein für Computergnealogie e.V.“ laufen seit einigen Jahren ein Vielzahl so genannter Mitmach-Projekte. Sie verfolgen das Ziel, vielfältigste genealogisch interessante und relevante Informationen möglichst strukturiert und untereinander abgestimmt/vernetzt den suchenden Familienforschern zur Verfügung zu stellen. Dabei werden diese Quellen nicht durch eine kleine Fachredaktion, sondern überwiegend durch Hobby-, aber auch zum Teil durch Berufs-Genealogen, -Historiker, -Geografen usw. gespeist. Im Vortrag werden die über das Internet erreichbaren Projekte einzeln vorgestellt, ihr Bezug zur genealogischen Forschung im Bereich des heutigen und des historischen Brandenburgs dargestellt, ein Ausblick auf deren weitere Entwicklung gegeben und vor allem Motive bzw. Formen einer aktiven Teilnahme dargestellt.

Dr. Manfred Horlitz: Theodor Fontanes Vorfahren – Ergebnisse u. Probleme genealogisch-historischer Forschungen

Bei einem einstündigen Vortrag können nur einige Aspekte der Forschungsergebnisse geboten werden die wir Ihnen hier aufzeigen: I. Gründel Motive meiner Forschungen 2. Einige Probleme der Ansiedlung der hugenottischen Vorfahren des Schriftstelle rs Th. Fontane im 17. Jh. in Brandenburg-Preußen 3. Zur allmählichen Integration der Fontaneschen Vorfahren mütterlicher u. väterlicherseits in Preußen 4. Theodor Fontanes Position zu seinen Vorfahren 5. ForschungsergebnisseI Defizite

Jürgen Frantz: Die Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V., begr. 1927 – Forschungsmöglichkeiten im östlichen Europa

Die „Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher“ (AGoFF) entstand 1948 als „Arbeitsgemeinschaft schlesischer Familienforscher“, in Anknüpfung an die 1927 gegründete und bis 1945 in Breslau tätige „Niederschlesische Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung“ Nach 1952 erfolgter Umbenennung in „Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher“, wurde sie 1958 als Verein registriert. Zweck der AGoFF ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung in genealogischer und familienkundlicher Hinsicht, einschließlich der wissenschaftlichen Nachbargebiete. Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke und ist überregional tätig. Das Forschungsgebiet erstreckt sich auf den gesamten Siedlungsraum deutschsprachiger Menschen im Osten. Der Verein forscht nach genealogischem und historischem Material sichert dieses und wertes es aus. Er berät seine Mitglieder und gibt als Jahresschrift das „Archiv ostdeutscher Familienforscher (AOFF)“ sowie als Vierteljahreschrift die „Zeitschrift für Ostdeutsche Familiengeschichte (ZOFG)“ heraus. Seit 2010 verfügt die AGoFF über eine eigene Schriftenreihe. Zur zwischenzeitlichen Unterrichtung seiner Mitglieder erscheinen vierteljährlich „Arbeitsberichte (ARB)“. Er betreibt eine eigene Netzseite www.agoff.de.

Gerd-Christian Treutler: Die Auswanderung preußischer Lutheraner nach Australien

Zur komplexen, wenn mit Sicherheit auch nicht vollständigen Darstellung der Auswanderung der preußischen Lutheraner in den 1830-40er Jahren galt es mehrere Quellen zu kombinieren. Einerseits schärfen die rückblickenden Darstellungen der Auswanderernachkommen den Blick für die historische Situation; andererseits werden mit der überarbeiteten und aus weiteren Quellen ergänzten Übersicht der Auswandererfamilien nach Iwans „Um des Glaubens willen nach Australien“ von 1931 Fakten benannt. Der Schwerpunkt dieser Auswanderung lag im Südosten Brandenburgs und im Norden Niederschlesiens, weshalb eine alleinige Beschränkung auf damalige brandenburgische Orte allein nicht sinnvoll ist. So kann man die Auswanderungsgeschichte aus den Herkunftskreisen Crossen und Züllichau in Brandenburg und den angrenzenden schlesischen Kreisen Glogau, Grünberg, Liegnitz, Lüben und Freystadt, sowie den Posener Kreisen Birnbaum, Bomst, Meseritz, Neutomischel und Samter als wesentlich für diese religiös motivierte Auswanderung ansehen. Die genaue Beschreibung der planmäßigen Reise von insgesamt 82 Auswandererfamilien auf dem Schiff „Skjold“ im Jahre 1841 nach Port Adelaide in die Kolonie Südaustralien gibt einen eindrucksvollen und repräsentativen Einblick in die Umstände eines solchen Unternehmens und öffnet uns ein Fenster zum Verständnis unserer Geschichte. Ergänzt wird der Vortrag mit einer kurzen Darstellung der religionsgeschichtlichen Hintergründe und einer Darstellung der ersten Ansiedlungen in Südaustralien.

Dr. Peter Bahl: Genealogie und Landesgeschichte Quellen, Literatur und Forschungsmöglichkeiten in Bibliothek und Archiv der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V.

Der Vorsitzende und Archivar der Landesgeschichtlichen Vereinigung informiert über die im Gebäudekomplex der Zentral- und Landesbibliothek Berlin befindlichen, aber von der Vereinigung selbst betreuten Sammlungen zur Orts- und Landesgeschichte Brandenburgs und Berlins. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darlegungen auf personen- und familiengeschichtlichen Fragestellungen, anhand deren zugleich ein Überblick über relevante Quelleneditionen geboten wird.

Dr. Hannelore Lehmann: Sterne auf Kirchturmspitzen und Dächern repräsentativer Gebäude im 17./18. Jahrhundert. Beliebiges Zierelement oder mehr Thesen zu einem befragenswerten Architekturemblem

Ausgangs- und Schwerpunkt sei hier die Mark Brandenburg. Beispiele erläutern, teilweise mit Bildern, mögliche Forschungsschwerpunkte. Von der Reformation bis zum Übertritt der Hohenzollern zum Kalvinismus. Klostergut, Domäne, Kirchenpatronat. Schlösser, Städte, Sterne. Auswirkungen der Gegenreformation. Brandenburger Lutheraner und kalvinistische Immigranten verschiedener Strömungen .

Jörg Schnadt: Orte suchen und finden – Verwüstet, geschleift, devastiert, geflutet oder umbenannt?

Wer seine Vorfahren erforschen will, muss wissen, wo sie gelebt haben. In der Regel ist die Ortssuche ein Kinderspiel. Es gibt Postleitzahlenverzeichnisse, Landkarten, Atlanten, Adressbücher und andere Ortsverzeichnisse, häufig sogar digital im Internet. Was aber ist, wenn man dort nicht fündig wird? Im Vortrag soll eine Einführung gegeben werden, welche Gründe die Ortssuche erschweren und wie man, wenn man die Gründe kennt, in der Regel dennoch zum Ziel kommt.

Bruno Berger: Salzburger Exulanten auf ihrer Wanderung durch Brandenburg im Jahre 1732

Salzburger Exulanten auf ihrer Wanderung durch Brandenburg im Jahre 1732 und ihre Ansiedlung in Preußisch-Litauen, dem Reg.-Bez. Gumbinnen der Provinz Ostpreußen, als logistische Meisterleistung jener Zeit – mit einem Beitrag über Hintergründe zur Auswanderung der evangelischen Salzburger und Voraussetzungen für ihre Integration in der neuen Heimat

Waldemar Schupp: Genealogia in nummis. Numismatische Genealogie

Die Ausführungen erläutern die spezielle genealogische Aussagekompetenz von numismatischen Prägungen, und zwar zu Geburt und Taufe, zu Verlöbnis, Hochzeit und Beilager sowie zu Tod und Begräbnis (an Hand von Abbildungen). Den Schwerpunkt bilden Medaillen mit der verschiedenartigen Darstellung von Stammbäumen, die aus genealogi-schem Anlass, meist mit ansprechender künstlerischer Gestaltung, geschaffen wurden.