11. Regionaltreffen 2016

Familiengeschichte ist grenzenlos – Herkunft und Wanderung unserer Vorfahren

Bei „durchwachsenem Wetter“, bedecktem Himmel, wenig Sonne und etwas Regen, fand am 16. April 2016 das 11. Regionaltreffen Brandenburg für Heimat- und Familienforscher im Treffpunkt Freizeit in Potsdam statt. Der in den April gelegte Termin hat sich bewährt. Leider erschienen wieder keine Informationen in der Presse.

Das Thema „Familiengeschichte ist grenzenlos – Herkunft und Wanderung unserer Vorfahren“ sprach viele Familiengeschichtsforscher an. Bereits die Voranmeldungen tendierten gegen 100 Online-Anmeldungen. So fanden etwa 140 Teilnehmer und Gäste den Weg zum Treffpunkt Freizeit. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre haben wir in diesem Jahr den Ablauf der Referate gestrafft und nur einzügig gestaltet. Das sicherte jedem Referenten die volle Aufmerksamkeit zu seinem Referat zu und verhalf andererseits auch den Ausstellern zu dem notwendigen Publikum in den dazwischenliegenden Pausen. Neben den Trägern des Regionaltreffens Brandenburg hatten weitere 12 Aussteller mit ihren Infoständen den Weg nach Potsdam gefunden. Auch für das leibliche Wohl – ein Imbiss mit belegten Brötchen und Würstchen – und für Getränke war gesorgt. Über den Tag verteilt konnten sich die Teilnehmer – je nach Interesse – den sechs Referaten widmen

Dr. Peter Bahl, mit seinem Referat Die Integration d. Flüchtlinge und Ver-triebenen in Brandenburg nach 1945, berichtete aus seinen Quellenstudien, die in eine größere Publikation einmünden sollen. Im Vordergrund stehen das Handeln der Flüchtlingsverwaltungen sowie Wege und Umwege der Integration der offiziell als „Umsiedler“ bezeichneten Menschen in Stadt und Land. Dabei wird der Bogen von den ersten Trecks über die massenhaften Transporte bis zu späten Nachzüglern gespannt und versucht, die Abläufe bei Aufnahme und Eingliederung nachzuzeichnen.

Prof. Dr. Matthias Asche widmete sich in seinem Referat Aus Zürchern und Bernern werden Preußen – zum 325. Jubiläum der Ansiedlung von Schwei-zerkolonisten im Ruppiner Land, den Schweizer Einwanderern nach Bran-denburg Ende des 17. Jahrhunderts. Die Ankunft von vierzehn Familien aus dem Berner Oberland im unwirtlichen Sumpfgebiet an der Havel bei Potsdam im Frühjahr 1685 markierte den Auftakt einer Phase intensiver Einwanderungen von Schweizerkolonisten in die Mark Bran-denburg. Innerhalb einer kurzen Zeit – bis in die Mitte der 1690er Jahre – zogen mehrere tausend, überwiegend verarmte und nachgeborene, aber siedlungswillige Bauernsöhne aus den Kantonen Bern und Zürich in eine ihnen gänzlich unbekannte neue Heimat und legten dort zahlreiche, nach den Verwüstungen und Entvölkerungen der Kriege des 17. Jahrhunderts dringend benötigte, neue Dörfer an. Viele der Kolonisten starben in den ersten Jahren, viele wanderten enttäuscht zurück in ihre Heimatdörfer, einige zogen in der Hoffnung auf bessere Arbeitsmöglichkeiten weiter in die großen Städte oder verdingten sich als Soldaten im sich im Aufbau befindlich stehenden brandenburg-preußischen Heer. Die meisten von ihnen aber blieben in ihren Kolonistendörfern und arrangierten sich letztlich mit den widrigen Umständen und den Anfeindungen der alteingesessenen Bevölkerung. Für die Mark Brandenburg bedeutete die Ansiedlung von Schweizerkolonisten zwar nicht die Lösung der demographischen Probleme, aber immerhin konnten durch die Einwanderer einige seit Jahrzehnten brachliegende Landstriche wieder urbar gemacht und besiedelt werden. Außerdem stärkte das reformierte Bekenntnis der Schweizerkolonisten – wie die zeitgleich stattfindende, im Umfang bedeutendere Aufnahme von Hugenotten – die Position der hohenzollernschen Landesherren. Als Reformierte standen diese in einem konfessionellen Gegensatz zu ihren fast ausschließlich lutherischen Untertanen und schon allein aus diesem Grund hatten sie eine besondere Beziehung zu den Neusiedlern aus der Eidgenossenschaft entwickelt. Vom ersten preußischen König Friedrich I. ist bezeichnenderweise folgender Ausspruch überliefert: „Ich will selber dieser Schweitzer nicht Stieff-Vater, sondern rechter Vater seyn.“

Frau Pastorin Cornelia Müller, referierte zum Thema Hugenotten in der Uckermark. Häufig zitiert wird der Satz „Um 1700 war jeder 5. Berliner ein Franzose“.

Für die Familiengeschichtsforschung bedeutet es, daß viele Brandenburger hugenottische Wurzeln haben. Dem trägt die Evangelische Kirche Rechnung, wenn sie noch einen eigenen Reformierten Kirchenkreis und französisch-reformierte Gemeinden fördert. Dennoch werden die Gemeinden immer kleiner. Es wäre schade, wenn diese Tradition ganz verloren ginge, so Frau Müller. Anhand von Quellen wird der Weg und die Sesshaftwerdung der Hugenotten in der Uckermark nachgezeichnet.

Prof. Dr. Peter Clemens, als der Spezialist der jüdischen Familiengeschichtsforschung , referierte über jüdische Vorfahren – Mein Portugiesisch-jüdischer Migrationshintergrund – Folge der Inquisition im 15. und 16. Jahrhundert Der Autor weiß seit seiner Kindheit, dass eine seiner 4 Urgroßmütter ursprünglich Jüdin war, sich in einen Protestanten verliebte und kurz vor der Heirat zum Christentum konvertierte. Deren Mutter war eine geborene HINRICHSEN (1805-1850). Deren Vorfahren stellten durch mehrere Generationen die Hofbankiers der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin. Seit 1677 war Michel HENRIQUES vom mecklenburgischen Herzog aus Glückstadt an der Elbe (damals Dänemark) als solcher nach Schwerin berufen worden und nannte sich forthin Michael HINRICHSEN. HENRIQUES war kein dänischer Name, sondern stammte aus Portugal, von wo die Familie unter dem Druck der Inquisition (einsetzend 1492) schließlich Anfang des 17.Jahrhunderts emigriert war. Die Familie hatte schon seit ca. 1150 in Portugal gelebt.

Jürgen Kniesz zog die Zuhörer mit seinem Vortrag Die Mühlen und Müller im Grenzraum Brandenburg-Mecklenburg, ebenso in seinen Bann und zeigte, dass auch die Müller ein „wanderndes Volk“ waren. Die Grenze zwischen Mecklenburg und Brandenburg trennte zwei Landesherrschaften voneinander, die beide Teil des Reiches waren. Es war eine politische Grenze, an der keine unterschiedlichen Kulturen, keine anderen Sprachen, kein abweichender Glauben aufeinandertrafen. In beiden galten sowohl reichseinheitliche wie landesspezifische Gesetze. Wie „hoch“ war die Grenze für die Menschen? Welche Auswirkungen hatte die Trennlinie auf den Beruf des Müllers? Obwohl er ähnliches berufliches Herkommen hatte und ähnlichen Regeln und Gesetzen unterlag, war der wandernde Müllergeselle nach Überschreiten der Grenze Ausländer, mußte ein Meister, der sich um Pacht oder Kauf einer Mühle bewarb den jeweiligen Gesetzen und Bestim-mungen Rechnung zollen, einem fremden Amt, Zunft oder Innung beitreten. Markante und nachhaltig wirkende unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen vollzogen sich vor allem im 19.Jahrhundert. Gewerbefreiheit, eine Liberalisierung des Handels, die Industrialisierung setzte in Brandenburg Jahrzehnte früher ein, als in Mecklenburg. Betrachtet werden Müllerämter am Rande von Mecklenburg: Ribnitz – an der Grenze zu Vorpommern –, Wittenburg und Gadebusch – an der Grenze zu Nie-dersachsen – und Lübz – an der Grenze zu Brandenburg. Verglichen wird mit dem Mülleramt Waren. Beispielhaft sollen einzelne Mühlen, ausgewählte Müllerfamilien benannt werden, wobei die hohe Mobilität es schwierig macht, Biographien von Müllern oder gar ganze Familiengeschichten über mehrere Generationen zu erstel-len. Allzu häufig verschwinden die Untersuchungsobjekte –besser: die zu untersuchenden Subjekte, Personen.

Jörg Schnadt referierte über seine Familienforschung zur Familie Glier unter dem Titel: Die Familie Glier aus dem Vogtland – Handel und Wandel, Flucht und Vertreibung Die Familie Glier ist bis heute in Markneukirchen alteingesessenen. Erstmalig 1522 bis 1542 wird in der Bürgerliste Hanns Gluher genannt. Die Schreibweise des Familiennamens wurde später über verschiedene Formen wie Gluer und Glüer zu Glier gewandelt. Die Gliers gehören zunächst folgenden Berufen an: Böttcher, Gerber, Sägschmiede und Tuchmacher. Als infolge der Gegenreformation in Böhmen Anfang des 17. Jahrhundert‘s viele Musikinstrumentenmacher ins sächsische Vogtland kamen, wandten sich die Glier auch diesem Handwerk zu. Da die Instrumente auch verkauft werden mussten, verlegten einige sich auch auf den Handel mit Musikinstrumenten. Reisen an die Häfen der Nordseeküste und ins Mecklenburgische waren üblich. Nach Aufhebung der Kontinentalsperre Napoleons kam es Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts zu Auswanderungen vieler Familien. Polen, Rußland (St. Petersburg, Moskau), USA und Brasilien waren jetzt die Ziele. Eine dieser Auswandererfamilien wurde durch den Beginn des 1. Weltkrieges getrennt. Karl Glier wurde in Kiew verhaftet und kam nach 6-jähriger Verbannung und Flucht durch Sibirien mit seiner Familie als Flüchtling nach Deutschland. Ähnlich erging es seinem Bruder Moritz. Deren Bruder Reinhold Glier wollte sich von Russland nicht trennen. Er hatte dort seine musikalische Heimat gefunden und wurde – auch über die Grenzen Russlands hinaus – ein sehr bekannter Komponist.

Resümee:

Mit ca. 140 Teilnehmern war das 11. Regionaltreffen, auch aus der Sicht der Veranstalter, gelungen. Im nächsten Jahr werden wir wieder versuchen, den Termin im Monat April einzuhalten.

Mario Seifert / Jörg Schnadt, Potsdam